Sting in der Porsche-Arena - In der Ruhe liegt die Kraft...
Der Popmusiker Sting unternimmt in der Stuttgarter Porsche-Arena eine musikalische Reise durch die Jahrzehnte. Er und seine hervorragende Band setzen ausgezeichnetes Songmaterial gänzlich unaufgeregt in Szene.
Auf der großen Bühne stehen einige Standscheinwerfer, zwei Gitarrenverstärker und drei paar Monitorlautsprecher, vier Mikrofonständer sowie auf einem flachen Podest das Schlagzeug. Es gibt keine Videowände und keine nennenswerte Lightshow. Sting verlässt im Gegensatz zu manch anderen Bandvorstehern das ganze Konzert über die Bühne gar nicht und lässt sich auch nicht zu jedem neuen Lied ein frisch gestimmtes Instrument reichen. Ganz im Gegenteil: Er spielt das ganze Konzert auf seinem alten abgewetzten Lieblingsbass durch.
Karg könnte man dies auf den ersten Blick angesichts eines Auftritts dieser Größenordnung – die Porsche-Arena ist am Mittwochabend mit 6,500 Zuschauern ausverkauft – nennen. So wirkt es aber ganz und gar nicht. Schön intim und zweckdienlich reduziert: Das ist weit eher der Eindruck dieses fast schon an Proberaumatmosphäre erinnernden Settings, das einen wohltuenden Kontrapunkt zum Talmi des heutigen Popmusikunterhaltungsgeschäfts setzt. Der britische Musiker möchte auf seiner aktuellen Tournee offenkundig zu den Wurzeln zurückkehren, und das gelingt ihm außerordentlich stimmig.
Einen Schlagzeuger, einen Gitarristen sowie an der Leadgitarre seinen alten Wegbegleiter Dominic Miller hat Sting dabei, mehr nicht. Das ergibt die klassische Rockmusik-Viererbesetzung, und das, könnte man meinen, müsse zwangsläufig zulasten der durchaus vielschichtigen Arrangements seiner Songs gehen. Aber weit gefehlt. Branford Marsalis‘ Sopransaxofon zum Beispiel, das die Melodie von „Englishman In New York“ prägt, scheint im Grunde in diesem Song unersetzlich. Doch wie Sting und seine kleine Band dessen Abwesenheit kompensieren, ist beeindruckend. Aus dem vorangegangenen Song heraus groovt sich das Quartett in eine differenzierte und originelle Lesart des Lieds hinein, Dominic Miller führt erstmals virtuos vor, wie man mit Effektpedalen einen Ensembleklang steuern kann, die Liveinterpretation tritt so kein Stück hinter der Studiooriginaleinspielung zurück.
Das Lied davor ist der Police-Hit „Spirits In The Material World“, die Nummer davor heißt – ebenfalls wohlbekannt und ebenfalls von seiner Ex-Band – „Synchronicity II“. Mit ihr wird der Abend eröffnet, und mit diesem Dreiklang zum Auftakt gibt Sting sogleich die Richtung vor, in die er diesen Abend lenken wird. Die Tour trägt als Motto den Titel seines aktuellen Albums „57th & 9th“, das der derzeit in New York lebende Englishman nach jener Straßenecke in seiner Wahlheimat benannt hat, an der sich das Tonstudio befindet, in dem es aufgenommen wurde. Und natürlich kommt Sting auch der Pflicht nach, einige Stücke daraus vorzustellen. Wie selbstverständlich, als wären sie seit vielen Jahren Teil seines Repertoires, sind sie allerdings eingebettet in den Konzertverlauf, sie fallen als Novitäten in diesem wie aus einem Guss wirkenden Abend überhaupt nicht auf. Eingerahmt indes werden sie von einem Best-of-Programm aus dem Besten der beiden Sting-Welten.
(c) Stuttgarter-Nachrichten by Jan Ulrich Welke