Auf Daunen gebettet: Simon und Sting in München...
Der Soundtrack zweier Leben, das souverän servierte Rückblendwerk zweier Altmeister. Simon & Sting begeistern in der Münchner Olympiahalle...
Mit dem dritten Song erreichen die 12,300 Zuschauer in der randvoll ausverkauften Olympiahalle bereits die melancholisch durchsonnten "Goldfelder", beim Stück Nr. 13 – ganz klar ein Glückstreffer – wippen alle mit federndem Juju-Worldbeat durchs "Gelobte Land" des nostalgierigen Wohlgefühls. Paradiesische Zustände also auch beim dritten und letzten Deutschland-Konzert von Paul Simon und Gordon Matthew Sumner, der sich Sting nennt.
Seine "Fields of Gold" gehören ebenso zu dem fast dreistündigen, pausenlosen Münchner Abend wie Paul Simons "Graceland". Die Hit-Lieferanten, die auf 50 Jahre Dienst am Evergreen verweisen können (Simon wird heuer 74), fädeln mit einer Big Band aus Sidekick-Assen wie David Sancious und Dominic Miller ihre Weltkarrieren im Reißverschlussverfahren auf. Das zieht gerade aus und an den Punkten der Verschränkung ergreifende emotionale Wucht.
Es mutet zunächst wie ein Treppenwitz der Pop-Geschichte an: Sting, der "Englishman in New York", und Paul Simon treffen sich als Nachbarn immer wieder im Fahrstuhl, tauschen Kaffee, Zucker und eigene CDs aus und kommen erst 2014 darauf, sich gemeinsam auf eine Bühne zu stellen. Da waren etwa Billy Joel und Elton John längst im Parallelslalom unterwegs. Bei Sting und Simon – mit jüngsten Ideen nicht sonderlich erfolgreich – wird aus dem Experiment ein Projekt, das nach 40 Abenden wie am elastischen Schnürchen funktioniert und erstaunliche Gemeinsamkeiten eines äußerlich ziemlich ungleichen Paares erlaubt.
Willkommen in der wunderbaren Welt der Eklektiker! Die sorgsame Inszenierung des Unspektakulären ist Programm, das Männleinlaufen gehört zum Prinzip des Miteinanders. Die Bühne ist Wimmelbild für die 15 Musiker aus den zwei Bands, unter die sich Sting (Wuschelbart, T-Shirt; Auftritt von links) und Paul Simon (Hütchen, Schlabberlook; Auftritt von rechts, Abklatschen in der Mitte) mischen. Die Vorlieben für flutschenden Jazzrock und flirrende Weltmusik, für Cajun, Country und Renaissance-Weltschmerz werden eingeflochten, der musikalische Motor mit seinen 15 Zylindern schnurrt dahin, Peter Tickell als Elektro-Geiger aus der David-Garrett-Schule, Marcus Rojas als Tubist, Perkussionist Jamey Haddad und die Sängerin Jo Lawry als gekonnt gesetzt Doppel-Stimmspur für die beiden Stars setzen Zusatz-Akzente.
Der durchtrainierte 63-jährige Sting, mit hoher Stirn zu hoher Stimme, kann darauf vertrauen, dass die druckvolle New-Wave-Energie aus Police-Tagen problemlos greift. "So lonely", "Roxanne" (logischerweise im Rotlicht) und "Message in Bottle" zielen bei den Menschen auf den Stühlen erst auf die Kniekehle und dann auf die Kehle. So wird das Konzert auch ein Hochamt der Heldenverehrung: Aufstehen – Niederknien – Hinsetzen.
Schon beim ersten Song "Brand New Day", der als Bestätigung des Gestern aus der Erinnerung leuchtet, steht die Halle, am Ende, nach 32 Hits am Stück, überquert man nochmals gemeinsam die "Bridge over troubled Water". Aber: Alles im Griff, Stromschnellen ohne Gefahr, Paul Simons "Reifeprüfung" mit "Mrs. Robinson" liegt so weit zurück wie die erste große Liebe. Es ist der Soundtrack zweier Leben, bei dem die Erinnerung auf Daunen gebettet wird, das souverän servierte Rückblendwerk zweier Altmeister.
Sting erinnert an die Schlüsselstellung der Simon-Songs und trägt den kleinen, 1,60 Meter großen Bühnenpartner vorsichtig musikalisch auf Händen. Der freut sich über die gute Hallenakustik, tänzelt durchs edle, manchmal auch sehr rundgeschliffene Klangbild und bedankt sich als Großmeister der bittersüßen Beziehungsbetrachtung mit scheinbar unverbrauchter Vokalkunst. Stings Ballade "Fragile" wird so zum feinsinnigen Prototypen eines verwandten Musik-Verständnis. Nicht nur dafür gab's Jubel.
(c) Abendzeitung München by Andreas Radlmaier