Sting im Zuercher Hallenstadion Ein 'Englishman' begeistert Schweizer Publikum...
Sting war in Zuerich: Das Publikum im fast gefuellten Hallenstadion ist am Samstag begeistert vom musikalisch wie stimmlich gekonnten Konzert des ewigen ''Englishman''. Keine Spur von Elektrogezirpe und Playback-Gezwitscher.
Vom ersten bis zum letzten Ton zeigen Gordon Matthew Sumner alias Sting, seine hochkaraetige Band und Saengerinnen, dass Konzerte selbst heutzutage ohne Schnick-Schnack auskommen koennen und Klasse nicht auf aufwaendig inszenierte Shows angewiesen ist. Bei Sting kommt es auf die Musik an, auf die Arrangements und seine Stimme.
Mit viel Herzblut beschwoert Sting, charmant wie eh und je, mittlerweile 52-jaehrig und seit 2003 ''Commander of the English Empire'', die weiten Raeume von Emotionen, von denen seine Songs erzaehlen. Gekonnt wechselt er die Rhythmen, auf ruhige, besinnliche und harmonische Lieder folgt schneller und fetziger Sound.
Exzellent ist, wie Saenger und Band langsame Songs immer wieder hochpeitschen oder Pop mit Elementen aus Jazz, Klassik, Folk und Reggae wuerzen. 'Roxanne', den Klassiker aus alten Police-Zeiten, treiben sie vorwaerts, wie auf einem wilden Ritt durch die Wueste.
Bei 'Desert Rose' laesst Sting arabisch-orientalische Klaenge durch seine Kehle rollen, bei 'Fragile' toent er spanisch angehaucht. Keine Spur von der Halsentzuendung, die ihn zehn Tage am Singen hinderte.
Sting, der ehemalige Lehrer aus dem nordenglischen Newcastle, ist stets auch ein politisch denkender Mensch; seit Jahren setzt er sich ein fuer Menschenrechte und Umweltschutz. Spuerbar ist dieses Engagement bei 'Dead Man's Rope', bei dem auf die Buehne projizierte Bilder intakte wie zerstoerte Waelder zeigen.
Lange gruebelte er ueber die Anschlaege vom 11. September 2001. Das Resultat ist das letztjaehrige Album 'Sacred Love' mit Songs wie 'Dead Man's Rope' oder 'This War', bei dem das Hallenstadion in gelb-rotes Licht getaucht wird. Die Bilder zeigen Flieger aus dem 2. Weltkrieg, fallende Bomben - und immer wieder Oelraffinerien.
Der Sound des neuesten Albums enthaelt alles, was Sting-Fans lieben. Mit Inbrunst tauchen sie im Hallenstadion in die Traumwelt des Englaenders ein. Und doch haetten sie mehr aeltere Lieder begehrt. 'De Do Do Do', 'Russians', 'Every Little Thing She Does is Magic' oder 'Message in a Bottle' haetten garantiert fuer noch bessere Stimmung gesorgt.
Nicht gefehlt haben 'Roxanne' und 'Every Breath You Take'. Unbestrittener Hoehepunkt des Abends ist 'Englishman in New York', bei dem das Publikum auf Aufforderung des Stars aus vollen Kehlen mitsingt ''be yourself no matter what they say''. Sting bleibt stets sich selbst - egal, was die anderen sagen. Und das ist gut so.
(c) SDA - Basisdienst Deutsch by Petra Stoehr Bellingen
Blauaeugiger Seelenbruder...
Starke Songs, starke Darbietung - und doch eine Spur zu pastoral: Sting im Zuercher Hallenstadion.
Im eleganten dunkelgrauen Anzug steht er da, der hohe weisse Hemdkragen offen, das Instrument wie eine Monstranz vor sich haltend, stoisch, geerdet, derweil die Band ihren technoiden, kraftwerkischen Aufstart in eine Souljazz -Maschinerie ueberleitet, fliegend, kinderleicht.
Gewiss, Sting hat auch schon lausbuebischere Momente im Hallenstadion gehabt; bereits nach den ersten zwei, drei Lichtwechseln kommt da eine gewisse Wehmut auf. Aber dann wird es offensichtlich: Bei einem derartigen Redeschwall, den dieser Konzertauftakt abverlangt, kann der Saenger keine grossen Rock-Spruenge vollfuehren. Eine geradezu atemraubende Wortkaskade, die Sting von sich gibt; seine besondere Art zu rappen. Oder einfach die Leviten zu lesen mit Forderungen wie 'Send Your Love (Into The Future)' und 'Forget About The Future' - Titel, die die ganze Widerspruechlichkeit seines letzten Albums 'Sacred Love' zum Ausdruck bringen. Und wohl auch seines ganzen bisherigen Schaffens.
Dass der englische Weltstar ein grossartiger, intelligenter Songschreiber ist, wird einmal mehr durch die Livedarbietung klar; die neuen Stuecke, frei ueber den ganzen Set verstreut, sind den ausgewaehlten Klassikern des Abends ebenbuertig. Allein schon die Ballade 'Whenever I Say Your Name' mit ihren barocken, Bach-gleichen Harmonieverschachtelungen und den gospeligen Wechselgesaengen - Mary J. Bliges Originalpart ist bravouroes von der Choristin Joy Rose uebernommen - oder der Titelsong mit seinem Marvin Gaye'schen Soul-Duktus: Chapeau, Mister Summer!
Hut ab auch vor der Begleitung: eine Band wie aus einem Guss, rhythmisch perfekt, soundmaessig glasklar, faehig, die Stimmungen nach Bedarf zu aendern, von der nordischen Melodie in 'Dead Mans Rope' ueber das Discozitat in 'Stolen Car' bis hin zum Jazzimpromtu von 'Never Coming Home' - am Piano ausgesprochen virtuos der junge Englaender Jason Rebello. Seltsamerweise wirken gerade einige der wenigen Police-Songs leicht deplatziert, ein fehlschlagender Ausbruchsversuch etwa die 'Synchronicity II'. Umso eindruecklicher die Fassung der alten 'Roxanne'; die dubhaft verhallte Reduktion traegt den Ziselierungen des Gitarren-Adlatus Dominic Miller voll Rechnung.
Abwechslung hier auch auf der optischen Ebene, an Stelle des altarhaften Projektions-Triptychons - obwohl es das Konzert hindurch mit fabelhaften Animationen gespeist wurde - wird ein gedimmtes Redlight-Ambiente herbeigezaubert. Eine dramaturgische Geste, die gleichwohl Stings andauerndes Problemchen illustriert. Wo es den kommunen Soulmusikern meist darum geht, einen Funken Religiositaet in die erotische Message hinueberzuretten, kommts bei diesem blauaeugigen Seelenbruder oft umgekehrt heraus: eine Spur zu viel Kirche, zu sacred eben seine love.
(c) Tages-Anzeiger
Sting im Hallenstadion Zürich...
So erfolgreich Sting als Popstar noch immer ist, so sehr wird der 52-jährige Engländer als Mensch seit Jahren von Weltschmerz und einer Sinnkrise geplagt.
Die Anschläge vom 11. September haben ihn zusätzlich verunsichert, was sich textlich und musikalisch im unentschlossen wirkenden album 'Sacred Love' niederschlug, aus dem er am Samstagabend am ersten von zwei fast ausverkauften Konzerten im Hallenstadion nahezu alle Songs spielte. Hart getroffen hat Sting nach eigener Aussage auch, dass er wegen einer Kehlkopfentzündung Anfang Mai neun Auftritte absagen musste.
Von dieser Beeinträchtigung ist am Zürcher Konzert nichts zu spüren. Stings Gesang bleibt während des fast zweistündigen Auftritts sicher und klar, nur bei 'Fields Of Gold' bröckelt seine Stimme leicht. Meistens ist sein unverkennbares Timbre sogar wohlklingend wie selten zuvor, weil er nicht so forciert wie üblich singt. Seine Stimme wird zudem stark von den beiden Background-Sängerinnen gestützt, die zuweilen leider stereotypem Soulkrächzen verfallen.
Sonst interpretiert die Band die Stücke geschmackvoll und mit unangestrengter Virtuosität. Sting gewährt seinen sieben Mitmusikern viel Freiraum, was zu einigen spannend ausgedehnten, aber auch einigen überladenen Versionen führt. Sie spielen insbesondere das neue Material prononcierter und stilistisch variiert. 'Send Your Love' eröffnet als forsche Dance-Nummer das Konzert, 'Stolen Car' wird durch Dub-Effekte vitalisiert, der Police-Klassiker 'Walking On The Moon' hingegen driftet in seichten Lounge-Jazz ab.
Uninspiriert wirkt auch die visuelle Umsetzung auf der Leinwand: Bilder von verführerischen Tänzerinnen, Wasser und Wolken; plakativ bei 'This War' die aus Flugzeugen fallenden Bomben, was nicht zum vielschichtigen Text passt. Stings Klasse als Songwriter zeitloser Popsongs beweisen vorwiegend ältere Stücke wie das berührende 'Fragile', das sec reduzierte 'Roxanne' und das aufgelockerte 'Every Breath You Take'. Letzteres entfacht im gut gelaunten Publikum vor der letzten Zugabe - einer arabisch angehauchten Version von 'A Thousand Years' endlich restlose Begeisterung.
(c) Neue Zürcher Zeitung by M Ganz