Ein Gentleman laesst die Muskeln spielen...
Neuland? Nein danke! Sting setzt beim Muenchner Konzert im
Schreib, dass er so schoene Oberarme hat, sagte sie. Und dass sein Bass genau an der richtigen Stelle vor der Hose haengt. Spaetestens da wurde klar, warum Gordon Matthew Sumner unlaengst auf Oe 3 sagte, er habe gelernt, nicht nur beim Musizieren ausdauernder zu sein, sondern auch beim Sex. Mister Sumner, genannt Sting, ist also vom duennhaeutigen Intellektuellen zum animalischen Protz im Muscle-Shirt mutiert.
Das stimmt natuerlich so nur bedingt. Denn auf der neuen CD 'Mercury Falling' ergibt sich Sting hemmungslos der Poesie des Wortes, laesst sich als schuechterner Gentleman mit Hut und Stock ablichten und zelebriert gaenzlich unaufdringliche Musik. Man koennte sie, waere man dem Manne nicht geneigt, fast langweilig nennen.
Doch auf der Buehne des 'Zenith', jener schoenen, aber schier unbeschallbaren Halle im Norden der Stadt, da zeigte Sting den Stachel, liess die Muskeln spielen und den Rock rollen mit einer Mischung aus Police-Songs, fruehen Solo-Stuecken und Werken aus dem aktuellen Album, die man geschickt nennen oder auch als mangelndes Vertrauen ins Neue deuten koennte. Anders als etwa Bruce Springsteen (an dessen frueheres Outfit und Gehabe er erinnerte), lebt Sting aus den Ressourcen seines Musikerlebens. Neuland? Nein danke.
Dafuer aber wurden die alten Gassenhauer munter auffrisiert. Selbst 'Roxanne' erschien im neuen Gewand und aeusserst zeitig, statt, wie erwartet, als Zugabe. Den Musikern, einer wilden Horde edelster Profis, gab der Meister viel Raum zum Solieren und Brillieren, was vor allem Posaunist Conrad Thomas und Keyboarder Kenny Kirkland froehlich nutzten. Drummer Vinnie Colaiuta klopfte sich praezise und trocken durch Rock, Fusion und Jazz. Und Saxophonist Clark Gayton blies brav und schoen das Horn wie Branford Marsalis, der auf der neuen Scheibe zugange war.
So geriet der Abend - je lauter der Sound wurde, desto besser wurde auch er - letztlich zur munteren Party; und man dachte ein bisschen wehmuetig an 'The Dream Of The Blue Turtles'. Doch damals hatte Sting noch keine so schoenen Oberarme.
(c) Sueddeutsche Zeitung by Karl Forster