Brand New Day

Jul
22
2001
Zurich, CH
Landemuseum
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''Sting'' bei ''Live at Sunset'' Empfindsamer Star in lauschigem Ambiente...

Sting war da. Vor dem Zuercher Landesmuseum hat er am Sonntag seine Fans verzaubert. Der englische Popstar spielte seine neuesten und alten Hits mit Saft, Kraft und Seele.

Nur 2500 Menschen fasst der Innenhof des Zuercher Landesmuseums, wo die Konzertreihe ''Live at Sunset'' stattfindet. Kein Wunder sind da die Konzerte schnell ausverkauft. Bei Sting wurden die Tickets zuletzt wie seltene Juwelen gehandelt, und wer sich eines ergattern konnte, hatte das Glueck, den Star bei lauschigem Outdoor-Ambiente und in naechster Naehe zu erleben.

''Was fuer ein schoener Ort'', meint Sting, als er die Buehne betritt, laechelnd betrachtet er die Museumsmauern und den blauen Himmel des praechtigen Sommerabends. Ruhig und sanft heben die ersten Songs ab: A Thousand Years' und 'Ghost Story' aus dem neuesten Album 'Brand New Day'.

Dann gibt Sting, der mit seinen bald fuenfzig Jahren immer noch voll im Saft ist und mit seinem trockenen Charme besticht, Vollgas. Die Rhythmen preschen ungebremst vor, der Sound maeandert zielsicher zwischen Rock, Pop, Soul, Jazz, Country und orientalischen Klaengen. Mit viel Herzblut in der Stimme beschwoert Sting die weiten Raeume von Emotionen und Galaxien, von denen seine Songs erzaehlen.

Sting und seine Band verzaubern das Publikum mit bekannten Hits aus 'The Dream of the Blue Turtle', 'The Soul Cages' 'Fields of Gold' etc., die zeigen, dass der charismatische Star live (noch) besser ist als auf den CDs.

Den Song 'Roxanne' dehnt Sting aus und treibt ihn vorwaerts, als wuerde er 'Roxanne' bei einem wilden Ritt durch die Wueste verfolgen. 'Desert Rose' zeigt, wie er arabische Klanglaute wie Perlen durch seine Kehle rollen laesst.

Exzellent ist, wie Sting und seine Band den romantischen Fluss der Songs immer wieder mit jazzigen Dissonanzen aufwuehlen und rockig hochpeitschen, um ihn wieder zu sammeln und soulige Sphaeren stroemen zu lassen.

Als die Sonne hinter den Museumsmauern untergeht, tauchen Buehne und Publikum in gelbes und rosarotes Schweinwerferlicht ein. Kaum jemand sitzt noch auf den Stuehlen. Das Publikum singt die Songs mit, tanzt verzueckt, waehrend Sting und seine Bands aufs schoenste beweisen, dass sie in Hochform sind.

Kein Zweifel, Sting ist nach wie vor ein Phaenomen. Der Star, der sich seit Jahren fuer Umweltschutz und Menschenrechte engagiert, versteht es, Musikstile so zu mischen, dass sie sich der Beliebigkeit entziehen. Knapp, schlaksig, aber aeusserst kraftvoll sind seine Bewegungen auf der Buehne, treffsicher beseelt seine Stimme und Gitarrenklaenge.

Laechelnd verbeugt er sich zum Schluss, rennt von der Buehne, um als Zugabe doch noch einen seiner schoensten Songs zu spielen: ''How fragile we are...''. Den letzten Ton setzt seine Gitarre so elektrisierend, als braechte dieser eine Seifenblase zum platzen, die sich in einem schwebenden Schillern verliert.

(c) SDA by Eva Bucher



Musik gegen Melancholie - Sting am ''Live at Sunset''...

Man haette glattwegs melancholisch werden koennen. Sting eroeffnet sein seit langem ausverkauftes Konzert am Sonntagabend mit einer leisen, fragilen Version von 'A Thousand Years', sinniert ueber die trotzige Hoffnung, dass die einzelne Liebe in der Unendlichkeit der Welt Bestand habe. Doch das war wohl nur der dramaturgische Kniff eines ausgebufften Entertainers, um den Rest des Konzerts umso aufgestellter wirken zu lassen. Denn von nun an herrscht gute Laune, wie sie auch der jungenhaft auftretende Sting ausstrahlt, obwohl er im Oktober bereits 50 wird. Die duesteren Songs der fruehen neunziger Jahre, als er in einer groesseren Sinnkrise steckte und als Pop-Prediger die Welt von allen moeglichen Uebeln befreien wollte, kommen nicht oder nur in munteren Fassungen zum Zug. Im Vordergrund steht die Aufbruchstimmung seines letzten Albums, von dem viele Songs wie auch das Titelstueck 'Brand New Day' zum Zug kommen. Das Publikum weiss diese Ausrichtung zu schaetzen. Schon beim dritten Stueck, 'All This Time', klatscht es begeistert mit.

Sting belohnt es und gibt ihm, was es will - Sting-Klassiker wie 'Moon Over Bourbon Street' und Police-Hits, die sein fruehes Talent zeigen, Stile zu verschmelzen und Songs auf das Wesentliche zu reduzieren. Die Stuecke werden kaum veraendert, aber vitaler als auf Platte gespielt, so dass sie nicht wie reine Nostalgiepflege wirken. Auffallend ist, dass Sting die simple Form seiner Popsongs nicht mehr hauptsaechlich durch virtuose Jazz-Elemente erweitert, sondern vermehrt auch anheimelnde Country-Anklaenge einfuegt. Sting ist eben wirklich zum ''Englishman In New York'' geworden - auch dieses Stueck ein Hit, der das Publikum von den Sitzen reisst. Beim mit Disco-Elementen durchsetzten 'Roxanne' kann es sich schliesslich nicht mehr zurueckhalten und singt lauthals mit, was zu den sattsam bekannten Wiederholspielchen fuehrt. Zum musikalischen Hoehepunkt geraet jedoch das packend interpretierte 'Desert Rose', weil die ausschmueckenden arabischen Elemente die Praegnanz des Songs nicht unterlaufen, sondern verstaerken. Sting ist nicht nur ein kunstfertiger Eklektiker, sondern auch ein Meister der Klang- und Gefuehlsnuancen. Diese Faehigkeit ist allerdings an Live-Auftritten allzu oft von der misslichen Akustik vieler Stadien zerstoert worden.

Nicht so im vergleichsweise kleinen Innenhof des Landesmuseums. Der transparente Sound verstaerkt so den exklusiven Charakter des Konzerts. Zur Klangqualitaet traegt auch die hervorragend aufeinander eingespielte Band viel bei. Die Musiker fuegen die unterschiedlichen Stilelemente geschmeidig ineinander. Sting, der auffallend klar und locker singt, laesst den Mitmusikern gegen Ende des Konzerts zunehmend Raum fuer solistische Einlagen, so dass 'When The World Is Running Down You Make The Best Of What Is Still Around' zur regelrechten Jam-Session ausufert. Mit dem Abschlusssong 'Fragile' bricht er den im letzten Titel angedeuteten Trotzoptimismus und beendet das Konzert nachdenklich, wie es begonnen hat.

(c) Neue Zuercher Zeitung by M Ganz



Englishman in Zürich - Der freundliche Herr Stachel...

Jeder Atemzug von Sting war das poppige Statement eines abgeklärten Fünfzigjährigen. Zuerst wars eigenartig, dann kamen die alten Hits: Sting spielte am Sonntag beim Landesmuseum.

Warenhausmusik hat ein Gesicht, und zwar das von Sting, der hochdekorierten Political Correctness auf zwei Beinen, gekleidet in ein Hemd wie aus dem Unesco-Merchandising. Geriesel, Gedudel, eine gedämpfte Trompete klagt leise. Vielleicht hatte Sting keine Zeit, sich hinter der Bühne einzusingen, denn es scheint, als erledige er das nun während der ersten zwei Songs. Der Applaus ist sicherlich engagierter als das, was von der Bühne herabkommt. Erstaunlich: Alle 2800 Plätze im schönen Hof des Landesmuseums sind ausverkauft. Warum nur? Wegen dem da?

Es wird besser. Später. Spätestens wenn seine Hits aus alten Zeiten folgen. Aber vorher, der neuere Sting, der gibt Rätsel auf. Ein Rätsel immerhin mit Wiedererkennungswert, denn seine Stimme liesse sich unter tausend anderen Kehlenklängen leicht als die seinige identifizieren. Seine Gesangslinien aber sind nicht zum Mitsingen, wirken intellektuell oder meditativ wie eine vorgesungene Yoga-Stunde, einzig der Refrain ist oft einfach gestrickt. Die Musik ist freundlich, unaufgeregt und süffig, selten einem Einfluss abgeneigt, das poppige Statement eines abgeklärten Fünfzigjährigen. Töne anderer Völker erklingen, der Trompeter spielt gar Fanfaren. Und was man erwartet hätte, macht er nicht: Er stellt keinen DJ in die Ecke, um den vermeintlichen Brückenschlag in die Neuzeit zu versuchen, so wie es viele Kollegen seines Jahrgangs tun. Sting ist eigenartig. Ein Umweltschützer im Yuppie-Outfit. Ein Lehrer, der zum Punk wurde. Ein Familienmensch, der ein fleissiges Mitglied des Jetsets ist. Nicht viele haben es als Bassist zum Frontmann geschafft, er schon. Kann in einer Band schon ein Keyboarder ein Gräuel sein, bringt Sting deren drei mit. Seine Mitmusiker sind seine Freunde, ein Gremium, das musiziert. Ein Lehrerzimmer auf Ausflug. Fernweh ist in diesen Klängen oft spürbar. Untermalung für einen Film, dessen Szenerie schon alle kennen: leere Strassen, dampfende Schächte, das Herz bei jemandem, der nicht da ist.

Nach seinem seichten Start stellt sich bald die bange Frage: Wird er das hier noch retten? Es wäre nicht verwunderlich gewesen, hätte ein Zuschauer, der für sein Billett immerhin bis zu 160 Franken hinblättern durfte, sein indonesisches Nudelgericht auf die Bühne geworfen. Oder wenn einer den Entschluss gefasst hätte, wenigstens den Stuhl als Schadenersatz mit nach Hause zu nehmen. Doch das Publikum hat diesen Mann gern, diesen leicht lausbübischen Gordon Matthew Sumner aus Wallsend bei Newcastle, und verzeiht ihm den flauen Beginn. Spätestens nach 45 Minuten, einer allmählichen Steigerung und 'Every Little Thing She Does Is Magic', dem ersten Hit aus dem grossen Repertoire seiner alten Band The Police, ist eh alles geritzt. Scheiden sich bei ihm als Solokünstler noch oft die Geister, lieben alle sein Frühwerk. Es folgen ausgedehnte Live-Versionen, besonders sein Gitarrist, dem Habitus nach der Lieblingseleve des Meisters, darf oft und lange in die Saiten greifen. Nach 'Brand New Day' kommt 'Englishman In New York', alles steht und tanzt, nur ein paar mürrische Ehemänner in den hinteren Reihen bleiben hocken und zerdrücken ihren Bierbecher. Sting entfacht Begeisterung und Pyrotechnik, Flammen züngeln auf der Bühne aus Abfallkübeln, gleissende Scheinwerfer erhellen den Hof, denn nun ist es Zeit für 'Roxanne', wo ein ausgedehntes Singspiel nicht fehlen darf. Zur Abkühlung serviert er zwischendurch eines seiner Schamanen-Geschäftsmann-Regenwald-Lieder, bevor er Punkt 22 Uhr und mit einem begeisternden Klaviersolo erstmals abtritt.

Sofort ist er wieder da und singt 'Every Breath You Take', tänzelt, stakst von einem Mitmusiker zum nächsten und legt zum Schluss den Bass beiseite, um auf der akkustischen Gitarre ein latino-jazziges Abschiedslied zu spielen. Der freundliche Herr Stachel (''Sting'') verlässt uns darauf definitiv. Er heisst so, weil er früher angeblich gerne und oft einen schwarz-gelben Pullover trug. Den hat er abgelegt, den Namen aber behalten. Seine Hits lässt er ebenfalls nicht weg, was ihm die Leute denn auch gebührend verdankt haben.

(c) Tages-Anzeiger by Samuel Reber
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