Sting: My Songs Tour

Jul
6
2019
Halle, DE
Peissnitzinsel
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Kritik an leisem Sound Sting begeistert tausende Fans auf der Peißnitzinsel...


Kein Donner, keine Blitze, kein Sirenengeheul. Gordon Sumner, der Welt besser bekannt unter seinem Künstlernamen Sting, stiefelt nur ein paar Minuten nach acht armwinkend ins Scheinwerferlicht.


Die Bühnenregie dreht die Vorlaufmusik von The Cure ab. Sting lächelt freundlich, schlägt die Hände kurz vors Gesicht wie zum Gebet und schon geht es los mit "Message in the Bottle", einem der großen Hits seiner Band The Police.


Die wie ein paar seiner schönsten Solo-Werke hat der Nordengländer als "My Songs" gerade noch einmal neu eingespielt, "zeitgemäß", wie er selbst es nennt. 


An "Message in a Bottle", diesem zickigen Hilfeschrei aus Sus-Akkorden, hat sich allerdings so wenig geändert wie bei dem Bass, den Sting sich umgehängt hat. Das Instrument von Fender ist seit Jahrzehnten dasselbe, inzwischen ist der Lack abgeschabt und die dicke Furchen durchziehen das Holz.


Passend für einen Mann von gestern, der heute zumindest vor fern selbst noch aussieht, als sei die Zeit spurlos an ihm vorübergegangen. "Message in a bottle" ist 40 Jahre alt, Sting selbst 67. Das Lied fährt heute ein bisschen mit gezogener Handbremse, Sting singt es auch etwas tiefer. Aber zusammen rocken sie die Peißnitzbühne, vor der die Fans begeistert klatschen.


"Hallo Halle", sagt Sting dann, nie ein großer Redner auf der Bühne, heute aber augenscheinlich launig aufgelegt. Sting ist mit seinen besten Songs auf einer Art Heimspiel-Tournee, er muss kein neues Material vorstellen, das keiner kennt, während alle nur auf die großen Hits warten, die er nur spielt, damit niemand enttäuscht ist.


Hier geht es heute Schlag auf Schlag: "If I ever lose my faith in you" folgt, dann schon der "Englishman in New York", den das Publikum lauthals mitsingt. "Ohooo I´m an alien", jubeln die Zehntausend und es wird richtig laut auf der Peißnitzinsel.


Das ist es nämlich bis dahin nicht. Die Band mit den beiden Gitarrist Dominic und Rufus Miller, Josh Freese an den Drums, Keyboarder Kevon Webster und den Backgroundsängern Melissa Musique und Gene Noble spielt sauber und beseelt, bringt aber keinen Druck mit.


Bei Songs wie Stings souligem Solostück "If you love somebody set them free" passt das noch. Der laue Sommerabend, verziert mit Reggaerhythmen. Doch schon "Every little thing she does is magic", eine jener Police-Nummern, in denen Sting seinen Schlachtruf "Ihoho" anstimmt, schlappt ein wenig weg. Nicht mehr energischer Rock ist das, sondern fluffiger Pop für Selbersinger.


Die Fans, angereist aus der ganzen Bundesrepublik, nehmen es als Einladung. "Ihoho, ihoho" schallt es in den Sommerhimmel. Sting schmunzelt seinen beiden Backgroundsängern zu und lässt sie bei "Waiting For The Break Of Day", das er letztes Jahr zusammen mit dem Reggaestar Shaggy veröffentlicht hatte, den größten Teil der Arbeit erledigen.


Anschließend geht es erstmal richtig ins Balladenland. Sting, in schwarzem Muskelshirt, schwarzen Jeans mit Kniereißverschluss und schwarzen Sneakers, spielt das traumhafte "Fields of gold", dann "Shape of my heart" und "Wrapped around your finger" mit Pink-Floyd-Gedächtnisgitarre von Rofus Miller.


Weltschmerznummern über blutende Herzen und vergehende Jahre, Kindheit, Ruhm, Alter, Tod. Der Mann, der seinen bass wie eine Gitarre spielt, wischt sich stilecht mit einem schwarzn Handtuch den Schweiß von der Stirn.


Das folgende "Walking in the Moon", bei Police eine zackige, knackige Rocknummer, wird zur Expedition in Zeitlupe, Sting macht einen Ausfallschritt zum Bühnenrand, schaut hoch zum Himmel. Aber kein Mond, nirgendwo, es ist ja noch hell über Halle.


Den Bob Marley Klassiker "Get up, stand up" baut Sting beiläufig ein, es lässt den Bass jetzt Bass sein und winkt, klatscht, fasst sich demonstrativ ans Ohr: "Ich höre nichts!" Willig singen die Massen mit, erst recht, als Sting den flotten Klassiker "So lonely" unterbricht und auf Deutsch die Zeilen "Ich bin in Halle, mit meiner Stimme, in Halle" improvisiert. Ihoho, ihoho und "I feel so lonely", Sting und die Sumnerchöre, der leidenschaftliche Jazzer in seinem Element mit seiner ganzen Band.


Einmal schnappen ihm Melissa Musique und Gene Noble aus dem Background den Refrain weg. Sting zieht die Augenbrauen hoch und zuckt die Schultern.


Mit "Desert Rose" wird es nun arabisch, mit "Roxanne" könnte es klassisch werden, aber für den Auftritt in Halle hat sich Sting eine Welturaufführung vorgenommen. Statt das Lied – im Original von 1978 – zu spielen wie immer, schnell und scharf, hängt sich Sting heute Abend eine akustische Gitarre um und unternimmt einen Ausflug zum Barjazz.


Danach geht es schon in die Schlussrunde. Ein flottes "Demolition Man", ein "Every breath you take" und schon verbeugen sich die Musiker und Sting klatscht dem Publikum zu. Das tobt und tobt und so taucht er nochmal auf, wieder ohne Bass, wie die akustische Gitarre umgeschnallt.


Das noch leisere als leise "Fragile" gibt es mit auf den Nachhauseweg. Die Sonne sinkt hinter Sting, die Menge schweigt und schwelgt. Ende und vorbei. "Schade, gerade wurde es so schön", sagt ein Zuschauer beim rausgehen. 


(c) Mitteldeutsche Zeitung by Steffen Könau

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