Sting singt routiniert seine Hits runter - bis sein Fidler ausbricht...
Der alte Sting ist zurück mit allen Hits. Am Konzert am Montreux Jazz Festival macht er es sich aber etwas gar einfach. Es gab nur eine einzige Überraschung in Stings Hitmaschine.
Er hat mittelalterliche Lautenmusik interpretiert, ging mit den alten Kollegen von Police auf Welttour, seine Hits in sinfonische Streicherwolken gehüllt. Sting kann es sich leisten, seine Karriere nur noch nach dem Lustprinzip zu gestalten. Trotzdem: Den alten Sting haben wir schon etwas vermisst.
Was nun? Im Herbst erscheint das neue Album ''The Last Ship''. Stellt er uns vorab sein neues Programm vor? Gibt er uns Kostproben davon? Neue Band? Exklusiv für Montreux?
Die gute Nachricht: Der bald 62-Jährige präsentierte sich im Auditorium körperlich in beneidenswerter Topform und grosser Spiellaune. Der alte Sting ist wieder da und mit ihm die alte Band, die alten Songs, die alten Arrangements. Alle waren sie wieder da: Der elegante Saitenstreichler Dominic Miller, Schlagzeuger Vinnie Colaiuta, dieser Meister der ungeraden Metren, David Sancious, der gefragte Studio-Keyboarder mit Jazzhintergrund und Sting selbst, zurück am Bass.
Zusammen spielten sie sich durch den Werkkatalog des Stars. Da stimmte alles. Die Spitzenmusiker spielten untadelig, aber auch sehr routiniert. Neu dabei waren nur die Jazz-Sängerin Jo Lawry, Peter Tickell (Mandoline, Geige) sowie ein austauschbarer Saxofonist, der wenige Einlagen geben durfte. Sie alle vermochten zunächst keine Akzente zu setzen. Stings Hitmaschine lief wie geschmiert - ohne Überraschungen und besondere Auffälligkeiten.
Doch plötzlich fasste sich der Fidel-Spieler Peter Tickell ein Herz und durchbrach mit einem solistisch-emotionalen Ausbruch die perfekt gezimmerte Klangmauer. Das Publikum tobte… es geht also doch.
Zweite Überraschung: Sting wechselte beim in die Jahre gekommenen Police-Song 'De Do Do Do' abrupt in eine Jamsession: Sancious deutete immerhin Profil an, Colaiuta verblüffte - und dann wieder dieser Fidler: Er setzte dem Konzert mit einem langen, feurigen Solo die Krone auf. Peter Tickell - diesen Namen muss man sich merken. Nur Dominic Miller wartet nach Jahren bei Sting immer noch auf sein erstes richtiges Gitarrensolo.
Nach fast zwei Stunden war die Hit-Revue zu Ende. Dem Publikum gefiels. Doch im Vergleich zu Prince, der in Montreux an drei Tagen drei verschiedene Programme präsentierte, hat es sich Sting schon sehr einfach gemacht. Auf Wiedersehen mit einem neuen Programm vom alten Sting! Und wie wärs mit einer Blutauffrischung durch neue Musiker? Der Mann an der Fidel darf bleiben.
(c) Grenchner Tagblatt by Stefan Künzli